Irland

Land League sowie Marx und Engels zur irischen Landfrage

von Kirsten Knaack

3. Karl Marx / Friedrich Engels zur irischen Landfrage

Friedrich Engels beschäftigte sich bereits in seinem ersten großen Werk „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ mit den miserablen materiellen und sozialen Bedingungen der Kleinpächter und Arbeiter in Irland. Mit Karl Marx zusammen untersuchte er am Beispiel Irlands „den Ursprung der antikolonialen Kräfte in einem unterdrückten, wenig entwickelten Agrarland, die allmähliche Entwicklung der nationalen Befreiungsbewegung und ihrer besonderen Erscheinungsformen“ (Marx/ Engels, S. 7- Vorwort).

Marx sah Irland als klassisches Beispiel eines Landes, um des Profits willen rücksichtslos ausgeplündert durch die britische Bourgeoisie. In Medien und Reden prangerte er die Folgen dieser Unterdrückungspolitik an sowie die Vernichtung der Keime der irischen Industrie durch die Act of Union 1801. Ab 1846 warf er den Briten eine „ruhige, geschäftsmäßige Vernichtung“ (Marx/ Engels, S. 9) des irischen Volkes vor.[12] So war Marx der Ansicht, die irische Frage sei keine einfache Nationalitätenfrage, sondern eine Land- und Existenzfrage. Daher müsse der Kampf um „nationale Unabhängigkeit und soziale Revolution“ (Marx/ Engels, S. 165) verbunden sein mit einer revolutionären Erneuerung des Agrarsystems. Marx sah die Festigung des Systems Landlordismus vor allem 1652/53 gelegt. Nach der Niederschlagung des Aufstandes 1641-52 (Defenders) trat 1652 die Akte über die Ordnung Irlands in Kraft.[13] 1653 trat die Acts of Settlement in Kraft, die die gewaltsame Umsiedlung der von Konfiszierung betroffenen Iren in die relativ unfruchtbaren Provinzen Connaught und Clare festlegte. Der konfiszierte Boden wurde unter Gläubigern des Parlaments und Offizieren der britischen Armee aufgeteilt.

Der nächste Schritt zur Festigung des Landlordismus war laut Marx der Erlaß der Penal Laws Ende des 17./ Anfang des 18. Jahrhunderts.[14]

Im Jahre 1853 beschreibt Marx folgendes Verhältnis zwischen Produktivkraft[15] und Bevölkerung: „Nicht der Mangel an Produktivkräften schafft heute den Bevölkerungsüberschuß, sondern die Zunahme an Produktivkräften verlangt eine Verringerung der Bevölkerung und beseitigt den Überschuß durch Hungersnot oder durch Auswanderung. (...). Die Anwendung wissenschaftlicher Methoden in der Produktion vertreibt die Menschen vom flachen Lande, konzentriert sie aber in den Industriestädten.“ (Marx/ Engels, S. 89/90)

Marx hegt die Hoffnung, daß die Arbeiter sich baldigst der Produktivkräfte bemächtigen würden, statt sich von ihnen bemächtigen zu lassen.

Ebenso sieht er die Notwendigkeit einer Pächterbewegung, die die Abschaffung des Privateigentums am Boden zum Ziel haben sollte.[16] Privateigentum, so Marx mit Bezug auf

Ricardo, stelle in dem System der modernen Produktion ein überflüssiges Verhältnis dar. Die Bodenrente könne vom Staate übernommem werden. Die Interessen der Grundherren stünden nämlich im Gegensatz zu den Interessen aller anderen Klassen der Gesellschaft. Die Land Bill von 1870 kritisiert Marx als oberflächlich, denn die Grundlagen des Großgrundbesitzes blieben unangetastet. Gladstone würde die irische Frage nicht durch diese Bill lösen können.

1869 behauptet Marx wiederholt, daß die Lösung der irischen Frage auch für die englische Arbeiterbewegung außerordentlich wichtig sei[17], nachdem er zunächst (in früheren Jahren) davon ausging, daß das „irische Regime“ (Marx/ Engels, S. 189) durch den Aufstieg der englischen Arbeiterklasse zu stürzen sei. Der Sturz der englischen Bodenoligarchie sei unmöglich, solange sie sich in Irland behaupten könne (z.B. durch Personenüberschneidungen).

„(...) Irland (ist) das Bollwerk des englischen Landlordismus. Wenn er in Irland fiele, so fiele er auch in England. In Irland kann dies hundertmal leichter erreicht werden, weil sich der ökonomische Kampf dort ausschließlich auf den Grundbesitz konzentriert, weil dieser Kampf dort gleichzeitig ein nationaler ist und weil das Volk dort revolutionärer und erbitterter ist als in England (wobei er das letzte Argument nirgends beweist...; Anm. d. Verfasserin). Der Landlordismus in England wird ausschließlich durch die englische Armee aufrechterhalten. In dem Moment, wo die Zwangsunion zwischen den beiden Ländern aufhört, wird in Irland sofort eine soziale Revolution ausbrechen (...). Der englische Landlordismus wird nicht nur eine bedeutende Quelle seiner Reichtümer verlieren, sondern auch seine größte moralische Kraft- die Kraft, die Herrschaft Englands über Irland zu repräsentieren. Andererseits macht das englische Proletariat seine Landlords in England selbst unverwundbar, solange es ihre Mahct in Irland aufrechterhält.

(...) die englische Bourgeoisie (hat) das irische Elend nicht nur ausgenutzt, um durch die erzwungene Einwanderung der armen Iren die Lage der Arbeiterklasse in England zu verschlechtern, sondern sie hat überdies das Proletariat in zwei feindliche Lager gespalten.“ (Marx/ Engels, S. 195 ff.)

Hier spricht Marx 1870 ein großes Problem der Interaktion zwischen irischer und englischer Arbeiterklasse an, nämlich die von „oben“ forcierte Abneigung des englischen gegenüber des irischen Proletariats.

1867 stelle Marx in einem Brief an Engels drei Bedingungen auf, die Irland dringend brauche:

„1. Selbstregierung und Unabhängigkeit von England.

2. Agrarische Revolution. Die Engländer können die mit dem besten Willen nicht für sie (die Iren; Anm. d. Verf.) machen, aber sie können ihnen die legalen Mittel geben, sie für sich selbst zu machen.

3. Schutzzölle gegen England. (...) Die Union mit Niederwerfung der Schutzzölle, welche das irische Parlament errichtet hatte, zerstörte alles industrielle Leben in Irland. (...)“ (Marx/ Engels, S. 161/162)

1882 beurteilt Engels die Land League folgend: Die Ziele der Land League auf sozialem Gebiet seien revolutionär und erreichbar (Beseitigung der Landlords), die auf politischem Gebiet seien aber zu zahm (Home Rule, d.h. irisches Lokalparlament neben und unter gemeinsamem Reichsparlament).

Inwieweit Engels´ Vorwürfe an die Land League zutreffend sein könnten in bezug auf die von ihm und Marx aufgestellten Forderungen zur Lösung der irischen Frage werde ich versuchen, im folgenden Kapitel darzustellen.

[12] Durch: Vertreibungen der Kleinpächter; Verwandlung des Ackerlandes in Weideplätze; Reduzierung der Bevölkerung durch Hungersnöte und Auswanderung.

[13] Sie fixierte gesetzlich die britische Macht über Irland und „sanktionierte den Raub der irischen Ländereien im Interesse der Vertreter der englischen Bourgeoisie und des ‘neuen’, verbürgerlichten Adels“ (Marx/ Engels, S. 247). Die Mehrheit der irischen Bevölkerung wurde für schuldig an dem Aufstand erklärt und entweder mit dem Tode bestraft oder in die Verbannung geschickt.

[14] Die Penal Laws stellten eine Reihe von Gesetzen dar, die unter dem Vorwand erlassen wurden, gegen katholische Verschwörungen und Feinde des Anglikanismus vorzugehen. Dadurch wurden den Iren, mehrheitlich Katholiken, faktisch alle politischen und Bürgerrechte entzogen (Beschränkung des Erbrechts sowie des Rechts auf Erwerb und Veräußerung von Eigentum; Konfiszierung des Vermögens bei Vergehen; Verschärfung der Pachtbedingungen; Verbot irischer Traditionen).

[15] Definition: „(...)In der marxistischen Ökonomie im besonderen die durch die Produktionsmittel, die Qualifikation der Arbeitskräfte und die Wissenschaft und Technologie bestimmenden Faktoren der wirtschaftlichen Entwicklung.“ (Schmidt, S. 778)

[16] Marx analysierte im „Kapital, Band 1“ (1867) das Ausmaß der Vernichtung von Kleinpachten: „Die Zahl der bewohnten Häuser verminderte sich von 1851-1861 um 52 990. Von 1851-1861 wuchs die Zahl der Pachthöfe von 15-30 Acres um 61 000, die der Pachthöfe über 30 Acres um 109 000, während die Gesamtzahl aller Pachten um 120 000 abnahm, eine Abnahme, die also ausschließlich der Vernichtung von Pachten unter 15 Acres, alias ihrer Zentralisation geschuldet ist.“ (Marx/ Engels, S. 127)

[17] Dies betonte er wiederholt in Reden vor englischen Arbeiterversammlungen.
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